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Befragung sehbehinderter Interviewpartner

Der folgende Text stellt kurz die Barrieren dar, die Blinde und Sehbehinderte im Internet erwarten. Im zweiten Abschnitt geht es darum, was diese Barrieren für die praktische Gestaltung eine Fragebogens bedeuten.

Dieses Kapitel verfasste eine Universitäts-Absolventin, die mit SoSci Survey eine Studie unter Blinden und Sehbehinderten durchgeführt hat. Seitdem hat sich bei SoSci Survey vieles getan – unter anderem bietet SoSci Survey den Teilnehmern mit ScreenReader seit Version 2.2.01 einen Umschalter, mit dem man in den barrierefreien Modus wechseln kann. Dieser Modus umschifft die meisten Barrieren, die vorher moniert wurden.

Wichtig: Sollte Ihr Fragebogen aus methodischen Gründen prinzipiell nicht für Menschen mit Sehbehinderung geeignet sein (z.B. weil er mit visuellen Stimuli arbeitet), wählen Sie in Fragebogen zusammenstellen → Karteireiter Einstellungen → Einstellung ScreenReader-Modus die Option, dass der Fragebogen nicht für Screenreader geeignet sei. Der Fragebogen zeigt in Screenreadern dann anstatt des Umschalters einen entsprechenden Hinweis.

Internetnutzung von Blinden und Sehbehinderten

Blinde und Sehbehinderte müssen im Gegensatz zu Normalsehenden gewisse technische Hindernisse bei der Internetnutzung überwinden. Da das Internet größtenteils optisch ausgerichtet ist und sich ständig (technisch) weiterentwickelt, ist es eine Herausforderung, Angebote und Funktionen für diese Gruppe zugänglich zu machen.

Blinde arbeiten normalerweise mit einem so genannten Screenreader am PC und auch im Internet. Dies ist eine Hard- oder Softwarekomponente, die den Inhalt des Bildschirms von rechts oben nach links unten einliest und in Blindenschrift oder Sprache umwandelt. Die Blindenschrift wird auf einer Braillezeile angezeigt, die sich unter der Tastatur befindet; die Sprache wird von einer (meist synthetischen) Stimme vorgelesen.

Sehbehinderte verwenden je nach Stärke der Seheinschränkung unterschiedliche Hilfsmittel. Bei geringem Sehrest wird meist auf Großbildsysteme zurückgegriffen – Software, die den Bildschirminhalt bis zu 60-fach vergrößern kann. Außerdem liefern auch die unterschiedlichen Betriebssysteme Vergrößerungsmöglichkeiten, z.B. kann Windows den Mauszeiger vergrößern, eine Bildschirmlupe verwenden (die ähnlich wie eine Vergrößerungssoftware funktioniert) oder den Kontrast der Darstellung erhöhen.

Zusätzlich zu diesen technischen Voraussetzungen, die die Zugänglichkeit erst ermöglichen, ist es für diese Nutzergruppe aber besonders wichtig, dass das Internet benutzerfreundlich gestaltet ist. Elemente wie PopUps, schlecht beschriftete Frames, unbeschriftete Grafiken, Newsticker, Flash-Animationen, Java-Applets, Java-Scripts, Captchas, unübersichtliche Navigationsleisten, schlechte Kontrastierung uvm. stellen oft unüberwindbare Hindernisse für die Nutzung dar. Es ist also allgemein zu empfehlen, ein möglichst einfaches, auf HTML und CSS basierendes Design zu wählen, das ohne (meist unnötige) technische Finessen auskommt. Besonders wichtig ist, die Gestaltung von Inhalt und Layout zu trennen, um den Screenreadern möglichst einfache Informationen zur Interpretation weitergeben zu können.

Praktische Tipps für Online-Befragungen unter Blinden und Sehbehinderten

Die oben erwähnten Punkte treffen grundsätzlich auch für Online-Befragungen zu. So ist auch hier auf ein möglichst einfaches Design zurückzugreifen, sowohl optisch als auch in Bezug auf die Programmierung. So dient es der Übersichtlichkeit, wenn auf einer Fragebogenseite nur eine Frage oder maximal zwei kurze Fragen gestellt werden. Außerdem ist es sinnvoll, auf eine Fragebogenseite möglichst wenige Links zu stellen, da diese vom Screenreader jedes Mal ausgelesen werden und den Befragungsverlauf deshalb negativ beeinflussen könnten. Es ist von Vorteil, wenn eine Seite in möglichst viele Unterüberschriften untergliedert wird, da diese dem Screenreader Sprünge erlauben und nicht komplett gelesen werden müssen. Dies entspricht in etwa dem Scannblick des sehenden Nutzers. Zudem ist darauf zu achten, dass ein kontrastreiches Design gewählt wird, das auch für besondere Sehbehinderungen leicht zu überblicken ist.

Bei der Gestaltung der einzelnen Fragen ist vor allem die Beschriftung der verschiedenen Antwortmöglichkeiten notwendig. Neben klassischen Multiple Choice-Fragen oder Fragen mit einfacher Auswahl, die kein Problem darstellen, werden häufig Fragetypen, die über Skalen beantwortet werden, herangezogen. Diese Skalen erhalten normalerweise eine Überschrift, die einzelnen Antwort-Buttons sind dann nicht extra beschriftet. Da der Screenreader diese Buttons als Grafiken interpretiert und deshalb in Zahlen bzw. in Buchstabenreihenfolgen wiedergibt, ist es notwendig, jeden einzelnen Skalenpunkt zu beschriften. Wenn man bspw. eine fünfstufige Skala verwendet, die zwischen den Polen „trifft voll und ganz zu“ und „trifft gar nicht zu“ abstuft, müssen auch die drei Punkte dazwischen beschriftet werden, ansonsten liest der Screenreader bspw. für den zweiten Antwortpunkt „Auswahlfläche 2 von 5“ vor. Der Nutzer müsste also jeweils mitzählen. Dies kann die Konzentration auf den eigentlichen Fragebogen und die Orientierung innerhalb einer Frage negativ beeinflussen. Blinde und Sehbehinderte behalten nicht immer den Überblick über die Antwortskala. Daher ist es wichtig, bei jeder einzelnen Frage genau darauf einzugehen, wie die Frage zu beantworten ist. Schließlich kann der Nutzer nicht auf den ersten Blick erfassen, welche Skala er vor sich hat. Bisher war es nicht möglich, Polaritätenprofile zu verwenden, was aber mehr am Inhalt der Beschriftung der Buttons als an der technischen Umsetzung gescheitert ist.

Unumgänglich ist außerdem, dass der Weiter-Button ebenfalls eine geeignete Beschriftung erhält und sich nicht zu weit unter der Frage befindet, damit er auch mit einer hohen Vergrößerungsrate nicht übersehen werden kann (wenn er sich zu weit unten am Bildschirm befindet).

Schwierigkeiten mit oFb

Grundsätzlich ist eine Befragung in Version 1.9.B von oFb sowohl für Blinde als auch für Sehbehinderte relativ problemlos zu bewältigen. Nachteilig ist, dass das Design der Fragen Tabellen verwendet. Für Sehbehinderte wäre eine Trennung von Gestaltung und Inhalt besser. Die Tabellen bieten den Nachteil, dass der Screenreader bei Fragen mit Skalierungen auch die Überschriften über den Skalen vorliest, da er sich linear von oben nach unten „durcharbeitet“. D.h. er liest zunächst die Frage aus, danach „stellt“ der die Tabelle „vor“, in dem er sagt, es gäbe eine Tabelle mit x Spalten. Danach liest er die Antwortmöglichkeiten (z.B. trifft gar nicht …) vor, danach das erste Item und anschließend jeweils die einzelnen beschrifteten Antwortbuttons.

Für die Zukunft von oFb: Wenn von der Tabellenstruktur abgewichen würde, könnte für Blinde und Sehbehinderte respektive Screenreader-Nutzer einfach einen anderen Fragebogen definiert werden, welcher problematische Fragen (z.B. eine Rangordnung) speziell für diese Gruppe nicht oder in anderer Form beinhaltet.

Alle anderen oben beschriebenen Punkte, die bei einer Online-Befragung unter Blinden und Sehbehinderten zu beachten sind, sind mit oFb umsetzbar.

Ergänzung: Ab Version 2.1 steht in oFb ein spezieller Modus für ScreenReader zur Verfügung. Dieser kann beim Fragebogen zusammenstellen in den Einstellungen aktiviert werden. In künftigen Versionen wird es möglich sein, dass der Teilnehmer den Modus ein- oder ausschaltet. In diesem Modus werden die sichtbare Auswahl, die Mehrfachauswahl, der voll beschriftete Skala und die Rangordnungsfrage so dargestellt, dass sie mit dem ScreenReader deutlich besser lesbar sind.

Wichtige Optionen in oFb

Skalen-Zwischenwerte

Skalen sind für Screenreader eine große Herausforderung. Die Skalenbeschriftungen inkl. visueller Verankerung (Balken) soll für Personen mit Sehrest erhalten bleiben. Gleichzeitig sollen häufig nur die Extrema der Skala (z.B. „stimme ich überhaupt nicht zu“ und „stimme ich voll zu“) angezeigt werden.

Damit Screenreader bei den Eingabe- bzw. Auswahlfeldern trotzdem auch Zwischenwerte vorlesen, geht man wie folgt vor:

  1. Alle Zwischenwerte der Skala eintragen
  2. Das Häkchen bei Zwischenwerte → anzeigen entfernen.

Alle Eingabefelder werden dann korrekt aber unsichtbar beschriftet (sichtbar dann, wenn man mit der Maus darüber fährt und kurz wartet), im Kopf der Skala werden aber nur die Extremwerte angezeigt.

Layout des Fragebogens

Auch die Auswahl des Fragebogen-Layouts sollte zwei Aspekte im Blick behalten:

  1. Mehrspaltige Layout (z.B. mit einem Logo auf der linken Seite) sind komplexer und damit schwieriger vom Screenreader zu beschreiben
  2. Das Layout sollte - mehr noch als normal - hohe Kontraste und große Schrift verwenden. Sowohl Farben als auch Schriftgrößen lassen sich in oFb manuell anpassen unter Fragebogen-Layouts

Für die beschriebene Studie wurde das Standard-Layout „oFb neutral blau“ verwendet.

Fragebogen vorlesen lassen

Eine geringfügig eingeschränkte Version des Screenreaders JAWS für Windows kann man übrigens vom Hersteller Freedom Scientific herunterladen (die eingeschränkte Version muss lediglich nach 40 Minuten beendet und neu gestartet werden). Auch wenn die Benutzung für einen Normal-Sehenden zunächst sehr ungewohnt ist, ist ein kleiner Test des Fragebogen im Screenreader sehr aufschlussreich.

Wer weniger Zeit investieren will, installiert das PlugIn Fangs Screen Reader Emulator für den Browser Mozilla Firefox. Dieses PlugIn zeigt Websites in einer Textdarstellung, wie ein Screenreader sie vorlegen würde.

de/create/barriers_visual.1377879821.txt.gz · Zuletzt geändert: 30.08.2013 18:23 von admin
 
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